Klima-Hock Mobilität: Was bringt die anstehende Transformation mit sich?
Oder Wie schlimm wird´s denn?
Die Mobilität ist in Vorarlberg das größte (Emissions-)Problem. Und wahrscheinlich wird darüber auch am meisten (und emotionalsten) diskutiert: Wieviel Auto darf´s denn sein, wieviel kann auf Öffis und (E-)Bike verlagert werden? Wie schnell wächst die breite Akzeptanz für das E-Auto und wann wird es noch ökologischer und noch billiger? Können wir uns bei HVO und E-Fuels auf ein Nischendasein einigen oder dauert der teilweise unsachliche Diskurs noch lange?
Zu einigen dieser Fragen steuerten Martin Reis (GF Energieinstitut) und Christof Drexel (drexel reduziert) beim KlimaVOR!-Hock am 22.8. ein paar Impulse bei.
Hier zum Nachhören im kurzen Podcast:
Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs
Dass der Verbrennungsmotor im Mobilitätssystem der Zukunft keinen Platz hat, stand beim KlimaVOR!-Hock am 22. August außer Streit. Weniger klar war zum Beispiel, wie viel des heutigen motorisierten Individualverkehrs (MIV) „nur“ durch eine andere, viel CO2-ärmere Technologie (das Elektroauto) ersetzt und wieviel stattdessen auf den Umweltverbund (Öffis, Gehen und Radfahren, Mitfahren, …) verlagert wird. Ganz ohne MIV wird es nicht gehen, auf dem Land noch weniger als in der Stadt, bzw. in urbanen Regionen wie dem Rheintal. Das Ausmaß des Verlagerungspotenzials hängt aber sehr stark vom alternativen Angebot ab.
Martin Reis berichtete von den neuesten Ergebnissen der KONTIV (Verkehrsbefragung), die erstmals einen zumindest leichten Rückgang des MIV zeigte. Die Verlagerung erfolgte dabei fast ausschließlich auf das E-Bike: Mit einer nicht allzu spektakulären Innovation wurde ein Angebot geschaffen, das es ermöglicht, auch etwas längere Strecken als bisher komfortabel mit dem Fahrrad zurückzulegen. Wer ohne Unterstützung bei drei Kilometern die persönliche Grenze gezogen hat, fährt jetzt vielleicht gerne fünf oder sieben Kilometer. Auch Distanzen von 10 bis 15 km werden noch mit dem E-Bike zurückgelegt. Und genau in diesem Bereich lässt sich viel Effekt erzielen: Über 70% der mit dem PKW zurückgelegten Wege sind kürzer als 10 km.
Alternative Angebote nur teilweise zufriedenstellend
Mit dem alternativen Angebot für längere Strecken kann man in Vorarlberg nur teilweise zufrieden sein. Der ÖV auf der Schiene wurde gut ausgebaut, stößt aber inzwischen schon an Kapazitätsgrenzen. Die Taktverdichtungen und neuen Garnituren helfen aber nur dort, wo Schienen sind: Wer von Feldkirch nach Bregenz muss, ist mit dem Zug mitunter sogar schneller unterwegs als mit dem Auto – entsprechend gut wird das Angebot angenommen. Wer hingegen von Koblach nach Höchst pendelt, braucht mit dem ÖV rund eine Stunde und damit rund dreimal so lange wie mit dem Auto – das ist für den größten Teil der Menschen außerhalb des Akzeptierten.
Womit auch schon eines der Ergebnisse unserer Diskussion feststand: Gemeinden und Regionen, die bislang nicht an das Schienennetz angebunden sind, benötigen eine bessere Alternative als das heutige Bussystem. Auf Grund von Bedenken bezüglich hoher Errichtungskosten blieb der Bau neuer Schieneninfrastruktur bislang immer auf der Ebene von Studien und Konzepten stecken: Beispiele sind die Ringstraßenbahn im Unteren Rheintal, die Wälderbahn von Dornbirn nach Bezau oder die Bahnverlängerung Montafon.
Als Alternativen wurden sogenannte „Metrobus-Konzepte“ ins Spiel gebracht. Schnellbuslinien, die in jeder Gemeinde nur ein bis zwei Mal halten, an Kreuzungspunkten gegenüber dem Individualverkehr strikt bevorrangt sind und sich wo möglich auf Bus-Vorrangspuren bewegen. Von den Ortszentren aus kommt man mit dem Fahrrad, gut getakteten Ortsbussen, oder auch langsameren (bestehenden) Überlandlinien an den Zielpunkt. Dabei wären kleinere (zukünftig vielleicht autonome?) Fahrzeuge und dafür höhere Frequenzen hilfreich. KlimaVOR! hat dieses Thema auch im Rahmen von Mobilitäts-Workshops des Landes schon eingebracht und spricht sich erneut für die Konkretisierung und Umsetzung der bereits seit mehreren Jahren vorhandenen Konzepte ein.
Technologische Lösungen für den motorisierten Verkehr
Neben dem Schaffen eines attraktiveren ÖV-Angebots müssen bestehende Privilegien des motorisierten Individualverkehrs abgebaut werden. Mit verschiedenen verkehrsberuhigenden Maßnahmen (Tempo 30, Fahrradstraßen, Fußgängerzonen, Begegnungszonen, Parkplatzbewirtschaftung) verbuchen verschiedene Gemeinden schon Erfolge – sowohl im Sinne der Verkehrsreduktion als auch in Bezug auf die Lebensqualität. Übrigens ein prädestiniertes Partizipations-Thema: Sowohl Bürger*innen-Beteiligungsprozesse als auch Volksbefragungen eignen sich perfekt für die Realisierung von Verbesserungen dieser Art.
Neben Verkehrsvermeidung (z.B. Home Office) und der Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den Umweltverbund (und im Übrigen auch des Güterverkehrs), sind auch technologischen Lösungen für den motorisierten Verkehr erforderlich. Hier berichtete Christof Drexel von erfreulichen Neuigkeiten aus der Forschung: Batterien werden billiger, dank neuer Konzepte auch langlebiger – 3500 Zyklen versprechen eine Fahrleistung von 1.000.000 km – und schneller im Ladevorgang (Lithium-Eisenphosphat) oder zunehmend unabhängig von raren oder problematischen Rohstoffen (Verzicht auf Cobalt, Ersatz von Lithium durch Natrium, …). Über die Nutzungsdauer des Fahrzeugs betrachtet sind batterieelektrische Autos in Vorarlberg bereits jetzt günstiger als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor.
Der Wermutstropfen aus volkswirtschaftlicher Sicht: Die Innovationen und vermehrt auch die Fahrzeuge kommen aus China, wo das Ende des Verbrennungsmotors nur noch eine Frage der Zeit ist: Schon über 50% der Neuzulassungen sind batterieelektrische Fahrzeuge.
Dennoch – diese chinesischen Innovationen führen dazu, dass die Elektrifizierung auch bei uns (schneller) vonstattengeht. Die Gesamtkostenbetrachtung (TCO/Total Cost of Ownership) liefert heute für übliche Betriebsbedingungen auch im Güterverkehr (Regional- und Fern-) und bei Linienbussen schon leichte Vorteile für die batterieelektrischen Fahrzeuge.